Lehrstuhl für Schulpädagogik
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4.3 Etappen der interkulturellen Schulentwicklung

Schritt 1: Analyse des Ist-Zustandes

Als erster Schritt steht beim Prozess interkultureller Schulentwicklung immer die Analyse der aktuellen Situation im Vordergrund. Dabei soll der aktuelle Ist-Zustand möglichst aus der Perspektive aller beteiligten bzw. von den Entwicklungsprozessen betroffenen schulischen Akteur/innen ermittelt werden. Dies schließt grundsätzlich auch die Schüler/innenschaft und ggf. Eltern mit ein. Auch wenn unterschiedliche Prioritäten und Wünsche die gemeinsame Zielbestimmung unter Umständen erschweren können, sollte keineswegs auf die wichtigen Impulse vonseiten der Schüler/innen und ihrer Eltern verzichtet werden (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 33).

Für die Durchführung der Ist-Analyse eignen sich Methoden wie Gruppengespräche, Diskussionsrunden und Fragebögen. Es gibt diverse kommerzielle und frei verfügbare Veröffentlichungen mit Checklisten zur Ermittlung des aktuellen Ist-Standes an der Schule. Die Fragen in den Checklisten variieren je nachdem, um welche Zielgruppe es sich handelt (Lehrkräfte, Eltern, Schüler/innen, das Kollegium).

Der Einblick in den aktuellen Ist-Stand an der Schule liefert eine gute Basis für eine grundsätzliche Analyse der Stärken und Schwächen sowie des Entwicklungspotenzials und möglicher Risiken an der jeweiligen Schule. Diese Aspekte lassen sich gut anhand der so genannten SWOT-Analyse herausarbeiten (vgl. Rolff, 2013):

Checkliste: Die SWOT-Analyse (vgl. Rolff, 2013)

  • Strength (Stärken) → Was haben wir? (Rahmenbedingungen, Kompetenzen, Mittel)
  • Weakness (Schwächen) → Woran fehlt es? / Was muss gestärkt werden?
  • Opportunities (Chancen) → Welche Unterstützung finden wir vor?
  • Threats (Risiken) → Woran könnte es scheitern? / Was ist nicht kalkulierbar?

Schritt 2: Leitbildentwicklung und Festlegung der Schwerpunkte

Die Schule als ‚Keimzelle‘ der Gesellschaft (im Sinne Deweys) sollte deren gesellschaftlichen Ideale widerspiegeln, wie bspw. demokratische Prinzipien, die kooperative, partizipative und gleichberechtigte Organisationsstruktur und die Gewährung des Rechts auf Verschiedenheit und Entfaltung individueller Persönlichkeiten (Dewey, 1976). Bezugnehmend auf diese Ideale kristallisieren sich im Kontext interkultureller Schulentwicklung v.a. folgende wichtige Schwerpunkte:

  • Abbau von Diskriminierungen,
  • Förderung der Zusammenarbeit aller Beteiligten,
  • Etablierung von anerkennender und wertschätzender Schulkultur.

Diese Schwerpunkte stellen wichtige Orientierungsanker bei der Entwicklung des schulischen Leitbildes dar (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 36)

! Im Leitbild sollen allgemeine, ‚höhere‘ Ziele formuliert werden, die von allen Schulakteur/innen gemeinsam mitgetragen werden (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 35f). Dafür muss das Ergebnis der Leitbildentwicklung an alle Mitglieder der Schulfamilie klar kommuniziert werden. Da die Leitbilder verbindlich für alle Beteiligten gelten sollen, ist u.U. eine Verschriftlichung im Sinne Vertrages sinnvoll (vgl. Weiß, 2016, S. 123). Gerade durch ihren Verbindlichkeitscharakter können schulische Leitbilder eine identitätsstiftende Wirkung erzeugen.

Die Ziele im Leitbild können sich z.B. auf folgende Aspekte beziehen:

  • Produktiver und ressourcenorientierter Umgang mit kultureller, sprachlicher und lebensweltlicher Diversität;
  • Verzicht auf einseitig assimilatorische Maßnahmen bzw. den Anspruch, Differenz zu „überwinden“ (vgl. Engel, 2012, S. 54);
  • Stärkung der interkulturellen Kompetenzen der schulischen Akteur/innen (Schüler/innen, Lehrkräfte, Eltern);
  • Respektvoller Umgang aller Schulakteur/innen miteinander;
  • Stärkung des Bewusstseins für diskriminierende und rassistische Verhaltensweisen (auf individueller Ebene) bzw. Strukturen (auf institutioneller Ebene);
  • Das Bestreben der Schule, eine Chancengerechtigkeit für alle Schüler/innen-Gruppen zu ermöglichen und soziale Benachteiligungseffekte auszugleichen;
  • Optimierung der Zusammenarbeit mit relevanten außerschulischen Kooperationspartner/innen.

Nachdem das Leitbild der Schule entwickelt worden ist, erfolgt eine Konkretisierung des Leitbildes und die Formulierung konkreter Entwicklungsziele.

Bei der Festlegung und Konkretisierung können folgende Fragen hilfreich sein:

  • Was erscheint besonders dringend und wichtig?
  • Welche Ressourcen stehen dafür zur Verfügung?
  • Welche weitere Unterstützung ist nötig?

Beispiele für ausdifferenzierte Leitbilder der Schulen im Raum München finden Sie hier:

Schritt 3: Erstellung eines Zeitplans und Formulierung der Ziele

Bei der Konkretisierung der Entwicklungsziele kann die sog. SMART-Regel hilfreich sein:

Checkliste: Die SMART-Regel (vgl. Berthel, 1973)

  • Spezifizierung (=Ziele sollten positiv und möglichst konkret formuliert sein)
  • Messbarkeit (=Die Zielerreichung sollte messbar sein)
  • Attraktivität (=Für die Beteiligten sollte es attraktiv sein, das Ziel zu erreichen)
  • Realisierbarkeit (=Ziele müssen realisierbar sein)
  • Terminierung (=Ziele müssen innerhalb eines realistischen Zeitrahmens umsetzbar sein)

Beispiele, die sich an der o.g. SMART-Regel orientieren, sind:

Mögliche Teilzielformulierungen für das Ziel „Interkulturelle Kompetenz der Schulakteur/innen soll gestärkt werden“ (in Anlehnung an Kurz & Weiß, 2016, S. 38):

  • Lehrkräfte erweitern im Rahmen von Fortbildungen, Workshops und themenbezogener Teamteachings ihre Kompetenzen im Bereich interkulturelle Bildung, Migration und soziokulturelle Diversität. Sie werden dazu befähigt, diversitätsbewusst und diskriminierungssensibel zu handeln.
  • Schüler/innen erwerben fächerübergreifend das notwendige Wissen zu o.g. Themenbereichen. Im Rahmen von Fortbildungen bekommen sie die Möglichkeit, ihre Zugehörigkeiten und Positionierungen zu reflektieren und einen respektvollen, anerkennenden Umgang miteinander zu üben.
  • Die Eltern werden durch thematische Informationsabende und Fortbildungsangebote eingebunden und unterstützt. Sie gelten als wichtige Impulsgeber/innen bei Fragen der interkulturellen Schulentwicklung.

Damit die Teilziele auch wirklich umgesetzt werden, sollte ein genauer Zeitplan entwickelt werden.

→ Bei Lindau-Bank (2012) finden Sie ein Beispiel der graphischen Zeitplandarstellung auf S. 162f. (s. Literaturverzeichnis).

Der Verlauf der Zeitachse wird von den verschiedenen Ebenen (z.B. Schüler/innen, Eltern, Kollegium bzw. Steuerungsgruppe ) bestimmt. Die (Teil-)Ziele werden in die festgelegten Zeitspannen eingebettet. Ausreichend eingeplante Pufferzeiten (ca. 30-40% der angesetzten Zeit) sollen Sicherheit gewährleisten (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 41).

Bei der Zeitplanerstellung bietet sich zur Strukturierung die Differenzierung in verschiedene Phasen (vgl. Klippert, 2010, S, 140f):

  • Planungsphase: Die Planungsphase umfasst sämtliche Absprachen bzgl. der konkreten Vorgehensweise. Dafür sollten Zuständigkeiten geklärt, der Zeitbedarf geschätzt und ein Zeitplan erstellt werden.
  • Arbeits- oder Durchführungsphase: In der Arbeitsphase werden vereinbarte Ziele umgesetzt. Dafür ist es sinnvoll, gelegentlich den Arbeitsstand zu überprüfen und eine Zwischenevaluierung durchzuführen.
  • Auswertungsphase Neben der Überprüfung der Zielerreichung ist auch der Prozess als solcher sowie die interpersonelle Teamkommunikation zu überprüfen. Daraus lassen sich weitere Entwicklungsanstöße ableiten.

Bei der Strukturierung der Ziele können Meilensteine als vorher festgelegte Etappen hilfreich sein.

Schritt 4: Umsetzung der Ziele

4.1 Rahmenbedingungen

Da die Schule als System mit mehreren Ebenen zu betrachten ist (vgl. Bronfenbrenner, 1981), müssen die Ziele für jede funktionale Ebene formuliert werden, um eine gelungene Umsetzung zu garantieren. Durch punktuelle Interventionen lassen sich in der Regel keine dauerhaften Veränderungen in der Praxis erzielen (vgl. Wiltzius & Karakaşoğlu, 2012, S. 95) Daher sollten – z.B. im Rahmen einer Schulkonferenz – zunächst grundlegende Rahmenabsprachen getroffen werden, bei denen die Verantwortlichkeiten für die Umsetzung der Ziele festgelegt werden (vgl. Klippert, 2010, S. 266). Die daraus folgenden Aktivitäten sollen regelmäßigen und verbindlichen Charakter haben – auch das ist bei den Rahmenabsprachen zu berücksichtigen. (vgl. ebd., S. 256)

I) Systembedingte Ebene (Makrosystem)

Für eine gelingende Schulinnovation müssen bestimmte systemische Bedingungen vorhanden sein. Dazu gehören:

  • Das Leitbild der Schule, in dessen Mittelpunkt der Gedanke von Förderung und Inklusion statt Selektion steht (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 35f.).
  • Ein unterstützendes Schulklima (nach Freitag, 1998, S. 32f.) - beinhaltet wiederum verschiedene Merkmale auf unterschiedlichen Ebenen:
    • Gestaltung eines offenen Unterrichts abhängig von Erfahrung und Kompetenzen der Lehrkräfte; außerdem Zusammensetzung der Schüler/innenschaft (Alter, Geschlecht und Kompetenzen (vgl. Kiel, 2016, S. 148);
    • Gestaltung des Schulgebäudes (räumliche Lage, Größe und Organisationsstruktur)
    • Gestaltung der Interaktion zwischen Lehrer/innen- und Schüler/innenschaft (Disziplin, Vertrautheit & Diskussionsstil) (vgl. ebd.);
    • Gestaltung der der Interaktion zwischen den Lehrkräften untereinander (Kollegialität, Respekt und Kooperation etc.) und den Schüler/innen (Kohäsion, Konkurrenz und Heterogenität) (vgl. ebd.).
  • Verpflichtung auf gemeinsame Werte und Schemata: Herausgearbeitete Werte sollen für alle gleichermaßen verpflichtend sein. Um den verpflichtenden Charakter zu unterstreichen, kann die Visualisierung der Werte bzw. eine Vertragsform hilfreich sein (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 35f).
  • Einnahme von Multiperspektivität: Bildungsinhalte, Erfahrungshintergründe, Werte, Symbole oder ikonische Darstellungen sollten auf unterschiedlichen Ebenen thematisiert, ggf. kontrastiert und vermittelt werden.
II) Kollegiale Ebene (Mesosystem) (vgl. Kiel, 2016, S. 150ff)
  • Etablierung von Vertrauen und Beziehungen: Gemeinsame Kommunikation beispielsweise in Form einer Gesamtkonferenz;
  • Förderung sozialer und interkultureller Kompetenzen im Kollegium;
  • Gegenseitige Unterstützung bei Spannungen oder Konflikten;
  • Gegenseitige Hospitationen.
III) Individuelle Ebene (Mikrosystem Schule) (vgl. Kiel, 2016, S. 150ff und Klippert, 2010, S. 248)
  • Ein individuelles, persönliches Menschenbild aller Beteiligten der Schule, das an Heterogenität und Chancengleichheit ausgerichtet ist;
  • Personalentwicklung (Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften, Vermittlung von Wissen u.a. in Hinblick auf demographischen Wandel, Migrationsbewegungen, Einheit und Vielfalt, Umgang mit gesellschaftlicher Heterogenität und Mehrsprachlichkeit);
  • Maßnahmen auf didaktischer und curricularer Ebene, bezogen bspw. auf: Auswahl der Bildungsinhalte, Überwindung der eurozentrischen Sichtweisen, etc.;
  • Methodische Änderungen, z.B. Maßnahmen der inneren Differenzierung und Einbindung kooperativer Lernformen (vgl. Heterogenität im Klassenzimmer);
  • Erstellen jahrgangsbezogener Förderungspläne.
IV) Externe (Exosystem)
  • Einbezug von Expert/innen zu verschiedenen Themenbereichen (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 41)
    • Unterstützung durch Fortbildungen und Trainings (Individualebene)
    • Team Building-Maßnahmen oder Supervisor für Gruppen (Gruppenebene)
    • Prozessbegleitung oder Moderation von Konferenzen (Organisationsebene)
  • Elternarbeit
    • Aktive Einbindung der elterlichen Meinungen (vgl. Huppert & Breit, 2008, S. 167.)
    • Abkehr von der reinen Elterninformation (vgl. Klippert, 2010, S. 268), bei der Eltern lediglich in schriftlicher oder mündlicher Form im Rahmen der gängigen Elternzusammenkünfte über die aktuelle Lage und Entwicklung unterrichtet werden.
  • Teilnahme an ausgeschriebenen Schulwettbewerben (vgl. Keppeler, 2008, S. 138).

4.2 Rolle der Akteure im strukturellen Entwicklungsprozess

Nach der Klärung der Rahmenbedingungen sollte eine Klärung von Verantwortlichen vorgenommen werden.

I) Schulleitung

Die Leitung der Schule hat für die Aufnahme und Prüfung der Entwicklungsimpulse, die Umsetzung von Entwicklungsaufgaben und die Überprüfung von Ergebnissen Sorge zu tragen. Sie sollte dabei die langfristige Orientierung mit klaren Wertvorstellungen anleiten und die Zielfindung durch die Bereitstellung von unterstützen (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 45f).

Zu den wünschenswerten Unterstützungsleistungen einer Schulleitung gehören nach Klippert (2010, S. 264f.):

  • Schaffen von attraktiven Rahmenbedingungen (Bereitstellung regelmäßiger Workshops und entsprechende Freistellungen für engagierte Lehrkräfte);
  • Ordnen und Vernetzen diverser Innovationsmaßnahmen für die Erstellung eines allgemein anerkannten Programms;
  • Kritisches Begleiten und Kontrollieren der Planungs-, Vorbereitungs- und Umsetzungsarbeiten;
  • Frühzeitiges Erkennen von etwaigen Widerständen und rechtzeitiges Intervenieren.
II) Steuerungsgruppe

Besonders an großen Schulen ist die Etablierung einer Steuerungsgruppe für die Begleitung der Schulentwicklungsprozesse unabdingbar. Ohne diese unterstützende innerschulische Struktur, die als Basis für Anregungen, Impulse und Organisation gesehen werden kann, verlaufen selbst die besten Ideen und Initiativen im Nichts (vgl. Rolff, 2012, S.71). Die Schulleitung oder ihre Vertretung haben häufig nicht die zeitlichen Ressourcen, um den Prozess durchgehend zu begleiten. Die Übertragung der Verantwortung sorgt also dafür, dass sich Vorhaben nicht nach kurzer Zeit verflüchtigen (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 47ff). Dieser partizipative Führungsstil verfügt über großes Potenzial (vgl. Burchardt, 2008, S. 51).

Schließlich bilden Steuerungsgruppen die Basis für die aktive Teilnahme und Übernahme der Verantwortung an der Entwicklung für die einzelne Lehrkraft (vgl. Rolff, 2012, S.71).

! Wichtig ist, dass die Steuerungsgruppe über ein klar definiertes Mandat des Kollegiums verfügt, dieses repräsentativ vertritt und somit auch über gewisse Entscheidungsgewalt verfügt. Ein Teil der Schulleitung sollte immer Teil der Steuerungsgruppe sein. Vertreter/innen der Schüler/innenschaft sollten ebenfalls Mitglieder sein (vgl. Rolff, 2012, S. 73f.)

Der Aufgabenkatalog der Steuerungsgruppe umfasst (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 47ff):

  • Abstimmung von Zielen,
  • Entwicklung, gemeinsame Umsetzung und Koordination von Maßnahmen,
  • Suche von Ansprechpartner/innen,
  • Transparente Wiedergabe von Informationen an das Kollegium, die Schüler/innen, die Eltern und die Kooperationspartner/innen.

Nach Rolff erfolgt die Prozessteuerung außerdem durch (vgl. Rolff, 2012, S. 72f):

  • Einleitung und Durchführung der Bestandsaufnahme bzw. der vorangegangenen Analyse und Diagnose (vgl. Schritt 1),
  • Vorbereitung und Durchführung von Feedbackkonferenzen und der schulinternen Evaluation,
  • Hilfe bei Festlegung von Prioritäten für die Maßnahmenplanung,
  • Unterstützung von Ansätzen zur Unterrichtsentwicklung.

Um die Steuerungsgruppe fest zu etablieren und ‚offiziell‘ zu legitimieren, bietet sich ihre formelle Bestätigung durch eine Lehrer/innenkonferenz an. Ein wichtiges Kriterium für die Zusammensetzung ist eine möglichst hohe Repräsentativität, weswegen das Team in seiner Zusammensetzung aus dem Kollegium möglichst gemischt sein sollte. Dementsprechend sollen auch Lehrkräfte, die als Skeptiker/innen auftreten, in die Steuergruppe eingebunden werden. Außerdem ist es ratsam, externe Expert/innen und Elternvertreter/innen einzubeziehen (vgl. Rolff, 2012, S. 75f).

III) Schulentwicklungskonferenzen

Zu verschiedenen Zeitpunkten eines Schulentwicklungsprozesses können Konferenzen mit dem Gesamtkollegium durchgeführt werden, um den Prozess gemeinsam zu steuern. Solche Konferenzen dauern in der Regel eineinhalb bis zwei Tage. Oft wird empfohlen, ein Tagungshaus oder ähnliches zu mieten, um eine intensive und effektive Arbeitsatmosphäre zu ermöglichen (vgl. Müller, 2012, S. 116f.) sowie die gewohnte Umgebung einmal zu verlassen.

  • Schulentwicklungskonferenzen zur gemeinsamen Diagnose und Zielklärung (vgl. ebd.)
    Die erste Konferenz kann als Bindeglied zwischen der Diagnose- und der Aktionsphase betrachtet werden. In diesem Rahmen soll eine erste Evaluierung des erhobenen Ist-Standes mit anschließender Zielklärung erarbeitet werden. Externe Berater/innen könnten die Gesprächsleitung bzw. Moderation im Plenum übernehmen.

    • Datenfeedback – von der Analyse zur gemeinsamen Diagnose (vgl. ebd., S. 117f)
      Folgende Leitfragen bieten sich zur Auswertung der Daten an:
      • Welche Stärken werden mehrheitlich gesehen, wo zeigen sich Schwächen?
      • Wo zeigen sich Divergenzen bzw. unterschiedlich beurteilte Bereiche?
      • Was muss ausgebaut und verbessert werden?
      • Welche Schwächen sind eklatant, welche haben eine geringere Priorität?
      Die Ergebnisse können in Kleingruppen diskutiert und dann im Plenum zusammengetragen werden.
      • Gemeinsame Zielerklärung und erste Aktionsplanung (vgl. ebd., S. 118f)
        Nach der gemeinsamen Diagnose lassen sich in der Regel deutliche Entwicklungsschwerpunkte erkennen, die die Richtung der weiteren Arbeit der Schule weisen. Diese Schwerpunkte sollten zu gemeinsamen Zielen (bzw. Teilzielen) formuliert werden. Folgende Fragestellungen können hier zur Orientierung verhelfen:
        • Welche Ziele wollen wir erreichen und welche Mittel stehen uns dafür zur Verfügung?
        • Wie könnten erste Schritte zur Projektplanung aussehen, wer würde dies übernehmen?
        • Welches Wissen, Ressourcen, Materialien benötigen wir auf verschiedenen Ebenen, um die Ziele zu erreichen?
        Dadurch, dass Schulentwicklungsprozesse langfristig angelegt sind und umfassende Veränderungen bedeuten, ist eine detaillierte Ausarbeitung von Schwerpunkten und Schritten möglichst genau zu planen.
      • Schulentwicklungskonferenzen mit Schüler/innen (vgl. ebd., S. 120f)
        Parallel zu Lehrer/innenkonferenzen bietet es sich an, Schüler/innen ähnliche Konferenzen zu ermöglichen, um sie an der Entwicklung der Schule zu beteiligen und ihnen die Verantwortungsübernahme zu ermöglichen.
  • Konferenzen zur Bilanzierung der Schulentwicklungsprozesse (vgl. ebd., S. 125f)
    Konferenzen eignen sich aufgrund des kollegiumsweiten Informationsaustausches, sowie der gemeinsamen Festlegung der nächsten Schritte ideal als Katalysator für den Entwicklungsprozess. Solche Konferenzen fördern außerdem den Zusammenhalt und erhöhen Motivation im Kollegium.
IV) Kollegium

Der Erfolg der Innovation von Schulstrukturen hängt stark von den Ressourcen und Motivationen einzelner Lehrkräfte ab. Bei dem Schulentwicklungsprozess können die Lehrkräfte unterschiedliche Rollen übernehmen (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 51ff):

  • Der Erfolg der Innovation von Schulstrukturen hängt stark von den Ressourcen und Motivationen einzelner Lehrkräfte ab. Bei dem Schulentwicklungsprozess können die Lehrkräfte unterschiedliche Rollen übernehmen (vgl. Kurz & Weiß, 2016, S. 51ff);
  • Unterstützer/innen, die sich von den Initiator/innen antreiben lassen und aktiv mitwirken;
  • Interessierte, die die Idee der Schulentwicklung zwar mittragen, aber weniger Bemühungen in die Innovationsprozesse stecken, sowie Zurückhaltende, die der Idee der Schulentwicklung mit Skepsis begegnen;
  • Bedenkenträger/innen bzw. Konservative, die Sorge tragen, dass sich die gefestigten Abläufe zum Negativen verändern.

Alle beschriebenen Rollen (und damit verbundene Einstellungen) sind wichtig für den Entwicklungsprozess. So können z.B. die Bedenkenträger/innen verhindern, dass Initiator/innen vorschnell und unüberlegt agieren und damit den Erfolg der Schulentwicklung gefährden. Es gilt, Argumente und Kritik aller Parteien ernst zu nehmen und gemeinsam zu klären.

! Punktuelle Aktionen einzelner Lehrkräfte erreichen nur selten das Stadium einer konzentrierten Aktion. Notwendig ist „eine soziale Infrastruktur, die die innovationswilligen Lehrkräfte unterstützt und ermutigt, entlastet und inspiriert.“ (vgl. Klippert, 2010, S. 255)

Um die von Klippert geforderte soziale Infrastruktur zu etablieren, können gemeinsame Workshops und Fortbildungen notwendig sein. Hierbei können gezielte Vorgehensweisen etabliert werden, die Lehrer/innen entlasten, unterstützen und ermutigen (vgl. Klippert, 2010, S. 259):

  • Etablierung von strukturierter Teamarbeit verringert den Arbeitsaufwand, erhöht die Zusammenarbeit und schafft Innovation (vgl. ebd., 256). Wichtige Lehrer/innenteams sind:
    • Steuerungsteams (Planung der Unterrichtsentwicklung; Unterstützung der Teambildung; Bereitstellung von Ressourcen; Vermittlung; Öffentlichkeitsarbeit)
    • Klassenteams (Vorbereiten und Durchführen von Trainingstragen; Sitzordnung vereinheitlichen; Freiarbeitstheken bereitstellen; Elternarbeit; Hospitationen)
    • Fachteams (Methodenpflege; Materialentwicklung und -archivierung; Stoffverteilung fokussieren; Klassenarbeiten entwickeln, Hospitationen)
  • Gezielte Lehrmittelbewirtschaftung (vgl. ebd. 260ff.):
    • gezielte Anschaffung hilfreicher Materialien und Medien,
    • Gezielte Archivierung bereits genutzter Unterrichtseinheiten,
    • Digitalisierung von Unterrichtsmaterialien.

Durch eine kollegiale Fallberatung bzw. kollegiale Supervision können Kooperationen und kollegialer Austausch gestärkt werden (vgl. Rimmasch, 2012, S. 241f).

Dabei werden die Teilnehmenden „[a]usgehend von persönlichen Erfahrungen und erlebten Situationen […] dazu angeregt, ihre Praxiserfahrung und Organisationsrollen zu reflektieren, Entscheidungsalternativen zu produzieren und Handlungsoptionen zu erweitern.“ (ebd., S. 242)

Die Beratungsanlässe ergeben sich nicht nur aus dem Fachlichen, sondern speisen sich auch aus den Interaktionen und Dynamiken des Arbeitsfeldes. So können u.a. folgende Aspekte geklärt werden (vgl. ebd., S. 243):

  • Fragen zur Entwicklung von Mitwirkungsbereitschaft und Mitverantwortung;
  • Unterschiedliche Rollen- und Aufgabenfassungen, Ziel- und Wertevorstellungen oder Meinungen und Sichtweisen;
  • Besonderheiten in der beruflichen Interaktion, die durch persönliche Lebens- und Berufsgeschichte, durch hierarchische Positionen, Zugehörigkeiten zu verschiedenen Jahrgangsstufen und Abteilungen begründet sind.

Die kollegiale Fallberatung schafft eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Erfahrungsbeständen der Teilnehmer/innen und ermöglicht es dadurch, eigene Sichtweisen zu komplementieren (vgl. ebd.).

V) Die einzelne Lehrkraft

Die Gestaltung eines qualitativ hochwertigen Unterrichts wird – obwohl dieser als zentrales Merkmal effektiver Schulen beschrieben wird (vgl. Borchardt, 2008, S. 54.) – beim Thema Schulinnovation meist nur peripher betrachtet. Wie die Lehrkräfte ihr Unterricht diversitätssensibel gestalten können, wird im Bereich „Unterricht verändern“ erläutert.

VI) Externe

Unterstützung von Akteuren und Institutionen außerhalb der schulischen Familie ist entscheidend für den Erfolg der Schulentwicklungsprozesse. Professionelle Moderation und Beratung kann auf mehreren Ebenen realisiert werden:

  • Individualebene (Fortbildungen, Trainings, Fallberatung, Feedback) (vgl. Weiß & Kurz, 2016, S: 40f);
  • Gruppenebene (Teambuilding, Unterstützung der Steuerungsgruppen) (vgl. ebd.);
  • Organisationsebene (Prozessbegleitung, Moderation von Arbeitstreffen, Umsetzungsplanung) (vgl. Weiß, 2016, S. 128);
  • Städtische/lokale Ebene (Einbindung der Schule in Kooperations- und Entwicklungsprozesse im lokalen Raum) (vgl. Borchardt, 2008, S. 59);
  • Die Zusammenarbeit mit den Eltern (vgl. Unger & Schulze, 2008, S. 183)

Schritt 5: Evaluation

Die Evaluation spielt in verschiedenen Phasen der Schulentwicklung eine bedeutende Rolle und sollte daher den Prozess ständig begleiten (vgl. Buhren, 2012, S. 222). Sie orientiert sich dabei eng an den vorher festgelegten messbaren (Teil-)Zielen aus Schritt 3.

Die Evaluation sollte systematisch auf Grundlage von Daten, vorher festgelegten Zielen und Bewertungsmaßstäben erfolgen. Dabei ist das Ziel die Verbesserung und Weiterentwicklung der bestehenden Praxis, indem ein für alle Beteiligten transparentes und abgestimmtes Verfahren etabliert wird (vgl. ebd., S. 224)

Buhren (2012) unterscheidet dabei vier Felder möglicher Evaluation (vgl. ebd., S. 229):

  • Interne Selbstevaluation (z.B. kollegiale Hospitationen)
  • Externe Selbstevaluation (z.B. peer reviews)
  • Interne Fremdevaluation (z.B. Bilanzierung des Schulprogramms)
  • Externe Fremdevaluation (z.B. normierte Leistungsstudien)

Für eine produktive Evaluation sollten folgende Rahmenbedingungen berücksichtigt werden (vgl. ebd., S. 237f):

  • Mehrperspektivität erhöht die Objektivität;
  • Erhobene Daten sind unbedingt zu schützen, ebenso wie Identität beteiligter Personen;
  • Evaluation ist ein dialogischer Vorgang, ein korrektes Feedback ist daher ein wichtiges Kriterium gelungener Evaluation (ggf. werden Fortbildungen benötigt, um korrektes Feedback geben zu können);
  • Aus einer Evaluation sollen klare Konsequenzen für die zukünftige Zusammenarbeit gezogen werden.

Literatur

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  • Buhren, C. G. (2012). Evaluieren. In C. G. Buhren, H.-G. Rolf (Hrsg.), Handbuch. Schulentwicklung und Schulentwicklungsberatung (S. 222–223). Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
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  • Rolff, H.-G. (2013). Schulentwicklung kompakt. Modelle, Instrumente, Perspektiven. Weilheim, Basel: Westermann.
  • Rotter, C. (2012). Lehrkräfte mit Migrationshintergrund als Motor für interkulturelle Schulentwicklung? – Ausgewählte Ergebnisse einer qualitativen Studie. In M. Göhlich, S. M. Weber, H. Öztürk & N. Engel (Hrsg.), Organisation und kulturelle Differenz. Diversity, Interkulturelle Öffnung, Internationalisierung (S. 145–154). Wiesbaden: VS Verlag.
  • Rotter, C. (2013). Interkulturelle Schulentwicklung – Fortschreibung einer Differenzsetzung? In S. Hornberg, C. Richter & C. Rotter (Hrsg.), Erziehung und Bildung in der Weltgesellschaft (S. 151–166).Münster et al.: Waxmann.
  • Rimmasch, T. (2012). Austausch und Teilhabe durch Kollegiale Fallberatung und Supervision. In C. G. Buhren & H.-G. Rolf (Hrsg.), Handbuch. Schulentwicklung und Schulentwicklungsberatung (S. 241–270). Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
  • Unger, R. & Schulze, S. (2008). Bildungschancen an Grundschulen in prekärem Umfeld. Lernumweltmerkmale der Schule und deren Bedeutung. In W. Lohfeld (Hrsg.), Gute Schulen in schlechter Gesellschaft (S. 186–206). Wiesbaden VS Verlag.
  • Weiß, S. (2016). Die partizipativ-inklusive Schule. In E. Kiel & S. Weiß (Hrsg.), Schulentwicklung gestalten, Theorie und Praxis von Schulinnovation (S. 113–135). Stuttgart: Kohlhammer.
  • Wiltzius, K. & Karakaşoğlu, Y. (2012). Diversity Management an Grundschulen? In M. Göhlich, S. M. Weber, H. Öztürk & N. Engel (Hrsg.), Organisation und kulturelle Differenz. Diversity, Interkulturelle Öffnung, Internationalisierung (S. 95–104). Wiesbaden: VS Verlag.
⬅️ 4.2 Ebenen der interkulturellen Schulentwicklung Literaturverweise und Links ➡️