Lehrstuhl für Schulpädagogik
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

5.1 Die Bedeutung von Kooperationen von Schule und Gesellschaft

  1. Gesellschaftliche Teilhabe und Kooperationen von Schule und Gesellschaft
  2. Interkulturelle Schulentwicklung braucht die Mitwirkung vieler
  3. Literatur
  4. Internetquellen

1. Gesellschaftliche Teilhabe und Kooperationen von Schule und Gesellschaft

In der Pädagogik empfiehlt man schon lange, die Schule zu einem Ort zu machen, an dem Schüler/innen gesellschaftliche Teilhabe erfahren und einüben können, um bei ihnen so wünschenswerte gesellschaftliche Werte zu verankern (Wertebindung). Bekannt sind z.B. die „klassischen“, reformpädagogischen Forderungen Kohlbergs (1986), Schule hin in Richtung einer „gerechten Gemeinschaft“ („just community“) zu entwickeln oder diejenigen Deweys (1915), Schule als eine Art Mikrokosmos des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu verstehen und zu leben (in Form einer „embryonic society” bzw. „miniature community“). In der Umsetzung bedeutet dies vor allem, Schule nicht nur als eine Art von der Gemeinschaft abgekoppelte Einrichtung zu betreiben, sondern sie durch strukturelle Änderungen des Schulalltags mit anderen Teilen der Gesellschaft so zu verzahnen, dass ein gelebter und gegenseitig befruchtender Austausch nachhaltig möglich wird. Nur dies erlaubt die Herstellung von gesellschaftlicher (Bildungs-) Gerechtigkeit und Integration.

Kritische Pädagogen wie z.B. Hartmut von Hentig (1999) bewerten derartige Ideen positiv, mahnen jedoch schon lange an, dass sie im deutschen Kontext lange Zeit kaum nennenswerten Niederschlag gefunden haben. Schule würde oft zu wenig als in die Gesamtgesellschaft eingebettet gesehen, sondern nur als Ort der Vermittlung spezifischer Einzelkompetenzen. Hentig kritisiert insbesondere die strikte Konzentration von Lehrerschaft und Schule auf den reinen Fachunterricht, die keine ernsthafte Persönlichkeitsbildung und Werteausprägung erlaube. Es sei eine typische Berufslüge von Lehrkräften, zu glauben, gesellschaftliche Werteerziehung sei als eine Art Teildisziplin sei möglich: „Wir haben unter Fachleuten aufgeteilt, was nicht aufteilbar ist…“ (Hentig 1999, S. 62).

2. Interkulturelle Schulentwicklung braucht die Mitwirkung vieler

Geht es insbesondere um interkulturelle Schulentwicklung, kann die Bedeutung der Zusammenarbeit von Schulen mit externen Kooperationspartnern/-partnerinnen kaum überschätzt werden. So ergeben z.B. Forschungen zur sogenannten interkulturellen Öffnung, dass diese nur erfolgreich und vor allem nachhaltig erreicht wird, wenn auch andere gesellschaftliche Akteure partizipativ eingebunden werden (vgl. z.B. Schröer 2007).

Die Idee, dass Kooperationen zwischen verschiedensten gesellschaftlichen Akteuren notwendig sind, um den Erfolg schulischen Handelns zu schaffen, hat sich in neueren wissenschaftlichen Sichtweisen zunehmend verankert (z. B. Prengel 2006). So ist eine (interkulturelle) Kooperation mit nicht-schulischen Partner/innen heute zu einem Qualitätsmerkmal von Schulen geworden (Georgi 2015, S. 219). Sie verspricht nicht nur eine Teilhabe an gemeinsamem Wissen, sondern auch eine Erhöhung der Produktivität, eine bessere Expertise und eine Stärkung der Beziehungen (Ackeren 2008, S. 53). Vor allem dienen Kooperationen dazu, gemeinsame Visionen zu entwickeln und durch das gemeinsame Handeln auch komplexere Lernerfahrungen für Schüler/-innen zu ermöglichen (ebd.). Gerade auch eine interkulturell-globale Wissens- und Wertevermittlung hängt von äußeren Schulkontakten ab, wie z.B. die Ergebnisse von z.B. Hunt und King (2015) zeigen, die mehrere britische Schulen vergleichen, wo ein sogenannter „whole school approach“ durchgesetzt wurde. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass globales Lernen Teil des Schulethos ist und sich in verschiedensten Lernformen, in der Lehrweise der Lehrkräfte, vor allem aber auch in extracurricularen Aktivitäten niederschlägt. Die Sichtweise der Wissenschaft wird durch folgendes Zitat pointiert auf den Punkt gebracht: „Zusammenarbeit, Zusammenarbeit, Zusammenarbeit könnte man das Gebot der Stunde nennen“ (Haag 2015, S. 90).

Auch im bildungspolitischen Handeln Deutschlands schlagen sich die beschriebenen Sichtweisen nieder. So verweist z.B. Beschluss der Kultusministerkonferenz (2013) darauf, dass Rahmenbedingungen für eine tragfähige Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Schule nur durch die Zusammenarbeit von Land, Kommune und Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund hergestellt werden können (z. B. durch die Durchführung von Informationsveranstaltungen und Fortbildungen für Eltern, zum Erfahrungsaustausch oder zur Konzeptentwicklung). In ähnlicher Weise wird auch in den „Leitlinien zur Gestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft von Schule und Elternhaus“ der Stiftung Bildungspakt Bayern (2014) die Bedeutung von Kooperationen hervorgehoben.

Checkliste - Bedeutung von Kooperationen von Schule und Gesellschaft

  • Schule kann nur durch Einbindung aller gesellschaftlichen Kräfte zu einer „gerechten Gemeinschaft“ werden.
  • Kooperationen zwischen verschiedensten gesellschaftlichen Akteuren ist aus wissenschaftlicher und bildungspolitischer Sicht für eine interkulturelle Schulentwicklung notwendig.
  • Kooperationen ermöglichen die Etablierung gemeinsamer Visionen der Bildungsakteure und fördern in besonderem Maße komplexe Lernerfahrungen der Schüler/innen, ihre Persönlichkeitsbildung und Werteausprägung sowie ihre globalen Lernprozesse.

Literatur

  • Ackeren, I. van (2008). Schulentwicklung in benachteiligten Regionen. Eine exemplarische Bestandsaufnahme von Forschungsbefunden und Steuerungsstrategien. In W. Lohfeld (Hrsg.), Gute Schulen in schlechter Gesellschaft. Schule und Gesellschaft Band 40. (S. 47–58). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Dewey, J. (1915). School and Society. Chicago: University of Chicago Press.
  • Georgi, N. (2015). Netzwerke bilden – Kooperationen in der Bildungsregion. In A. Holzbrecher & U. Over (Hrsg.), Handbuch Interkulturelle Schulentwicklung (S. 217–225). Weinheim u.a.: Beltz.
  • Hentig, H. von (1999). Ach, die Werte!: Ein öffentliches Bewußtsein von zwiespältigen Aufgaben. Über eine Erziehung für das 21. Jahrhundert. München: Beltz.
  • Kohlberg, L. (1986). Der „Just-Community“-Ansatz der Moralerziehung in Theorie und Praxis. In F. Oser, R. Fatke & O. Höffe (Hrsg.), Transformation und Entwicklung. Grundlagen der Moralerziehung (S. 21–55). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Schröer, H. (2007). Interkulturelle Orientierung und Öffnung: Ein neues Paradigma für die Soziale Arbeit. Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, 38 (3), 80–91.
  • Stiftung Bildungspakt Bayern (2014). Leitlinien zur Gestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft von Schule und Elternhaus. München: Stiftung Bildungspakt Bayern.
Internetquellen

⬅️ 5. Kooperationen gestalten 5.2 Regionale und lokale Bildungslandschaften ➡️