Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik
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1. Zusammenhänge zwischen der Benennungsgeschwindigkeit und unterschiedlichen Lesekompetenzen bei Kindern zwischen der ersten und vierten Klasse

Projektleiter: Prof. Dr. Andreas Mayer
Kooperationspartner: Sonderpädagogisches Förderzentrum München Süd, Förderzentrum München Ost, Grundschule am Hedernfeld
Laufzeit: Januar – Juli 2016

1. Theoretischer Hintergrund und Ausgangslage:

Die Benennungsgeschwindigkeit gilt neben der phonologischen Bewusstheit als einer der besten Prädiktoren des Schriftspracherwerbs. Zahlreiche Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Benennungsgeschwindigkeit insbesondere mit der Leseflüssigkeit in einem engeren Zusammenhang steht als die phonologische Bewusstheit, deren Einfluss sich im deutschsprachigen Raum auf die ersten Schritte des Lesenlernens reduziert und langfristig betrachtet v.a. mit der Rechtschreibung korreliert (Wimmer et al. 2000, Wimmer/Mayringer 2002, Landerl/Wimmer 2008, Moll et al. 2012). Kinder mit einem Defizit in der Benennungsgeschwindigkeit stellen eine Risikogruppe für die Ausbildung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten dar.
Die Benennungsgeschwindigkeit ist definiert als Maß dafür, wie schnell es einer Person gelingt, eine Folge visueller Symbole (z.B. Zahlen, Buchstaben, Farben) visuell zu verarbeiten und auf die entsprechende verbale Repräsentation zuzugreifen, sie also zu benennen.
Obwohl es sich dabei um eine komplexe Aufgabe handelt, an der unterschiedliche visuelle, sprachliche und unspezifische kognitive Leistungen beteiligt sind, kann die Benennungsgeschwindigkeit schnell und einfach mittels sogenannter RAN-Tests überprüft werden, die im angloamerikanischen Raum bereits in den 1970er Jahren entwickelt wurden (Denckla/Rudel 1974). Dabei erhalten die Kinder Vorlagen wie in Abbildung 1 und haben die Aufgabe die insgesamt 50 Items so schnell wie möglich von oben nach unten in Leserichtung zu benennen.

links   rechts

Abb. 1: Überprüfung der Benennungsgeschwindigkeit (Mayer 2013)

Obwohl in der internationalen Forschungsliteratur mittlerweile Konsens herrscht, dass leseschwache Kinder bei Überprüfungen der Benennungsgeschwindigkeit signifikant langsamer abschneiden als durchschnittlich lesende Kinder (Wimmer 1993, Brizzolara et al. 2006), sind die spezifischen Zusammenhänge mit unterschiedlichen Lesekompetenzen (Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis) noch weitgehend unerforscht. Ebenso wird kontrovers diskutiert, welche grundlegenden sprachlich-kognitiven Fähigkeiten für den Zusammenhang zwischen der Benennungsgeschwindigkeit und der Lesefähigkeit verantwortlich sind.

2. Forschungsfragen

  • Lassen sich zwischen der Benennungsgeschwindigkeit und den verschiedenen Lesekompetenzen (Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis) unterschiedlich starke Zusammenhänge nachweisen?
  • Ist der Einfluss der Benennungsgeschwindigkeit einem Entwicklungsprozess unterworfen? Lassen sich zwischen der ersten und vierten Klasse unterschiedliche Zusammenhänge nachweisen?
  • Kann der Einfluss der Benennungsgeschwindigkeit auf die Lesefähigkeit durch die visuelle Verarbeitungsgeschwindigkeit oder die Zugriffsgeschwindigkeit auf phonologische Repräsentationen erklärt werden?

3. Methode

Im Rahmen des Projekts sollen ca. 200 Kinder zwischen der ersten und der vierten Klasse aus drei verschiedenen Schulen (SFZ München Süd, SFZ München Ost, Grundschule am Hedernfeld) hinsichtlich der Benennungsgeschwindigkeit, der Lesefähigkeit (Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis), der visuellen Verarbeitungsgeschwindigkeit und der Zugriffsgeschwindigkeit auf phonologische Repräsentationen überprüft werden.
Zum Einsatz kommen folgende Verfahren:

  • Überprüfung der Benennungsgeschwindigkeit mittels RAN-Test (s. Abb. 1 aus TEPHOBE, Mayer 2013)
  • Überprüfung der Lesefähigkeit mittels SLRT II (Moll/Landerl 2010)
  1. Lesegenauigkeit Pseudowörter
  2. Lesegeschwindigkeit Pseudowörter
  3. Lesegenauigkeit Wörter
  4. Lesegeschwindigkeit Wörter
  • Überprüfung des Leseverständnisses mittels ELFE 1-6 (Lenard/Schneider 2006)
  • Überprüfung der kognitiv-visuellen Verarbeitungsgeschwindigkeit mittels zweier Subtests aus HAWIK IV (Symbol-Suche und Zahlen-Symbol Test)
  • Erfassung der Zugriffsgeschwindigkeit auf phonologische Repräsentationen mittels einer experimentellen Satzergänzungsüberprüfung

Literatur:

  • Brizzolara, W., Chilosi, A., Cipriani, A., Gasperini, F., Mazzotti, S., Pecini, C., Zoccolotti, P. (2006): Do Phonologic and Rapid Automatized Naming Deficits Differentially Affect Dyslexic Children With and Without a History of Language Delay? A Study of Italian Dyslexic Children. Cognitive and Behavioral Neurology 19, 141-149.
  • Denckla, M.B., Rudel, R.G. (1974): Rapid automatized naming of pictured objects, colors, letters, and numbers by normal children. Cortex 10, 186–202.
  • Landerl, K., Wimmer, H. (2008): Development of word reading fluency and spelling in a consistent orthography: An 8-year follow-up. Journal of Educational Psychology 100, 150-161.
  • Lenhard, W., Schneider, W. (2006): ELFE 1-6. Ein Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler. Göttingen: Hogrefe.
  • Mayer, A. (22013): TEPHOBE. Test zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit. München: Reinhardt Verlag.
  • Moll, K., Landerl, K. (2010): SLRT II. Lese- und Rechtschreibtest. Weiterentwicklung des Salzburger Lese- und Rechtschreibtests (SLRT). Göttingen: Hogrefe.
  • Moll, K.; Wallner, R.; Landerl, K. (2012): Kognitive Korrelate der Lese-, Leserechtschreib- und der Rechtschreibstörung. Lernen und Lernstörungen 1, 7-19.
  • Wimmer, H. (1993): Characteristics of developmental Dyslexia in a regular writing system. Applied Psycholinguistics 14, 1-33.
  • Wimmer, H., Mayringer, H. (2002): Dysfluent Reading in the Absence of Spelling Difficulties: A Specific Disability in Regular Orthographies. Journal of Educational Psychology 94, 272-277.
  • Wimmer, H., Mayringer, H., Landerl, K. (2000): The double-deficit hypothesis and difficulties in learning to read a regular orthography. Journal of Educational Psychology 92, 668 – 680.

Examensarbeiten

Outcome: Mayer, A. (2018): Benennungsgeschwindigkeit und Lesen. Forschung Sprache 6, 20-43 (Zugriff auf den Volltext erhalten Sie hier)

 


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