Fall 1.2 Impulse zur Falllösung: Mehrebenen-Interpretation

In Schulen kommen Menschen mit unterschiedlichen (kulturellen) Sozialisationen zusammen. Laut dem Bildungsbericht Bayern 2015 nimmt die Zahl der Menschen, die ihre ethnischen Wurzeln nicht mehr nur in Deutschland haben, fortwährend zu. Lag im Jahre 2011 der Anteil der im schulrelevanten Alter befindlichen Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund noch bei 28%, so wird dieser bis 2024 auf voraussichtlich 36% ansteigen. Die soziale, sprachliche und kulturelle Diversität nimmt dadurch zu. Aber auch die Lebensorientierung bzw. -stile in den Familien offenbaren teilweise große Unterschiede (vgl. SINUS, 2017). Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte besagt: "Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung." Dies gilt für jede Schülerin und jeden Schüler unabhängig von ihrer/seiner Herkunft, Religion, Weltanschauung und Lebensweise (die der Eltern eingeschlossen). Darüber hinaus greifen ebenso für zugewanderte Kinder und Jugendliche die gesetzlichen Regelungen zur Schulpflicht (ISB, 2016). Dennoch haben Personen mit Migrationshintergrund nachweislich Nachteile im deutschen Bildungssystem (wie Studien wie PISA, Chancenspiegel etc. zeigen).

Im deutschen Schulsystem gibt es derzeit keine einheitliche Position dazu, wie mit sprachlicher Vielfalt in Schulleben und Unterricht umzugehen ist. Ebenso fehlen übergreifende Konzepte zur Sprachförderung. Sprachförderung ist sicherlich ein grundlegendes Kriterium, um im deutschen Bildungssystem partizipieren zu können. Jedoch führt diese noch nicht automatisch zu einer funktionierenden Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen ungeachtet ihrer kulturellen, sprachlichen oder religiösen Hintergründe. Hier können gezielte interkulturelle Schulentwicklungsprozesse ansetzen (Karakaşoğlu, Gruhn & Wojciechowicz, 2013; Kiel, Syring & Weiß, 2017).

Aktuelle Flüchtlingsbewegungen bringen für das deutsche Bildungssystem neue Herausforderungen mit sich. "Die Zahl der jährlichen Zuzüge von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit nach Bayern hat sich nach Angaben des Bundesamtes für Statistik von rund 118.500 im Jahr 2010 auf 328.600 im Jahr 2015 nahezu verdreifacht" (ISB, 2016). Gerade an Grund- und Mittelschulen und im Bereich der Beruflichen Bildung zeigt sich die Zuwanderung besonders deutlich. Die Zahl der Übergangsklassen hat sich dort von 2010 bis 2015 etwa verfünffacht und die Angebote werden kontinuierlich ausgebaut. Diese Entwicklungen führen zu einer neuen Schülerkonstellation im Klassenzimmer.

Wie auch das Bildungssystem sieht die Gesellschaft für Menschen mit Migrationshintergrund vor, dass diese so schnell wie möglich die deutsche Sprache erlernen. Dies führt dazu, dass Personen mit mangelnden Deutschkenntnissen häufig mit schwer zu überwindenden Zugangsbarrieren konfrontiert sind.

Orientiert man sich an dem (bildungs-)politischen Ziel der Chancengleichheit für alle gesellschaftlichen Gruppen, hat dies ein Verständnis von Integration zur Folge, in dem die Verantwortung für die Integration sowohl aufseiten der Migrantinnen und Migranten als auch aufseiten der Mehrheitsgesellschaft liegt (vgl. Heckmann, 2015). Am Beispiel der Institution Schule bedeutet dies: Einerseits müssen die etablierten Regeln der Schule von Migrantinnen und Migranten "erlernt" werden, andererseits muss sich die Institution Schule gegenüber deren Bedürfnissen und Voraussetzungen öffnen.