Lehrstuhl für Schulpädagogik
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1.3 Interkulturelle Kompetenz außerhalb der Interkulturellen Pädagogik

Auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen, wie z.B. der kulturvergleichenden Psychologie oder der Interkulturellen Kommunikation, ist man sich nicht einig darüber, was unter interkultureller Kompetenz zu verstehen ist. In einem bekannten Beitrag, unter Schirmherrschaft des Psychologen Alexander Thomas (2003), "Interkulturelle Kompetenz: Grundlagen, Probleme und Konzepte" in der Zeitschrift "Erwägen – Wissen – Ethik" zeigt sich beispielsweise die große Vielfalt, was in verschiedenen Fachdisziplinen darunter verstanden werden kann. Auch kursieren verschiedene, artverwandte Alternativbegriffe wie z.B. die cultural intelligence (Earley, 2002) oder der Ansatz der globalen Kompetenz (z.B. Pike & Selby, 1988; Bourn, 2016).

An einem aktuell bekannten Konzept interkultureller Kompetenz zeigt sich die grundsätzliche Schwierigkeit, ihn definitorisch in den Griff zu bekommen. So definiert Deardorff interkulturelle Kompetenz als Fähigkeit, "effektiv und angemessen in interkulturellen Situationen zu kommunizieren, auf Grundlage eigenen interkulturellen Wissens, eigener Fähigkeiten und Einstellungen" (Deardorff, 2006, S. 15).

Die benannten Aspekte der Definition offenbaren für den Forschungsdiskurs typische und bis heute nicht wirklich geklärte Fragen. So stellt sich z. B. die Frage, worin genau eine effektive und angemessene Kommunikation besteht und wer diese bemisst. Unklarheit besteht auch hinsichtlich des Verständnisses von Interkulturalität, bei der Kultur manchmal als scharfkantige, ethno-nationale Abgrenzung gedacht wird, manchmal auch als extrem diffuses, kontextuelles Konzept. Worin genau das Wissen, die Fähigkeiten oder auch die Einstellungen von Personen genau bestehen sollen, ist bis heute ebenfalls nur undeutlich erkennbar. Letztlich bleiben auch die Fragen offen, wie genau interkulturelle Kompetenz eigentlich erworben wird oder wie sie pädagogisch vermittelt werden kann.

Beispieldefinitionen Interkultureller Kompetenz

"eine auf interkulturelle Kontexte bezogene Variante einer allgemeinen Handlungskompetenz" (Bolten, 2007, S. 214)

"jene Fähigkeit, die Erfahrung von kultureller Differenz und Fremdheit zu verarbeiten" (Mecheril, 2003, S. 198

"den interkulturellen Handlungsprozess so (mit)gestalten zu können, dass Missverständnisse vermieden oder aufgeklärt werden können und gemeinsame Problemlösungen kreiert werden, die von allen beteiligten Personen akzeptiert und produktiv genutzt werden können" (Thomas, 2003, S. 141)

Checkliste - Interkulturelle Kompetenz - ein Begriff im Widerstreit

  • Die Kultusministerkonferenz hat 1996 erstmalig interkulturelle Kompetenz als Erziehungsziel für die Schulen ausgegeben.
  • Da interkulturelle Kompetenzentwicklung in der Ausbildung der Lehrkräfte noch kaum eine Rolle spielt, ist Nachbesserung in der Aus- und Fortbildung notwendig.
  • In der Interkulturellen Pädagogik und auch in anderen Forschungskontexten gibt es für interkulturelle Kompetenz kein einheitliches Verständnis.
  • Der wohl bekannteste Ansatz zur interkulturellen Kompetenz in der Interkulturellen Pädagogik stammt von Auernheimer (2013), wonach Lehrkräfte sich besonders um einen Zuwachs ihres Wissens und ihrer Reflexion bzgl. der Punkte Machtasymmetrien, Kollektiverfahrungen, Fremdbilder und Kulturdifferenzen kümmern sollen.
  • Eine allgemeine, typische Definition interkultureller Kompetenz stammt von Darla Deardorff. Interkulturelle Kompetenz bezieht sich demnach auf die Fähigkeit, "effektiv und angemessen in interkulturellen Situationen zu kommunizieren, auf Grundlage eigenen interkulturellen Wissens, eigener Fähigkeiten und Einstellungen" (Deardorff, 2006, S. 15).
  • Wird von interkultureller Kompetenz gesprochen, ist die Gefahr der Kulturalisierung sehr ernst zu nehmen: Die Konzentration auf kulturelle Zugehörigkeit oder interkulturellen Kompetenzerwerb geht mit Gefahreinher, andere und oft relevantere Wirkfaktoren für Verhalten (z. B. sozioökonomische) allzu schnell auszublenden.
  • Wird Kultur oder interkulturelle Kompetenz nicht als wichtig erachtet, besteht zum einen die Gefahr der Psychologisierung, bei der abweichendes oder befremdliches Verhalten nur als eine Art persönliche "Störung" angesehen wird. Zum anderen kann die (individuelle) Relevanz kulturspezifischer Faktoren vernachlässigt werden (Siehe auch "Reflexivität gegenüber der eigenen kulturellen Prägung")

Literatur

  • Bolten, J. (2007). Einführung in die Interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Bourn, D. (2016). Global learning and the school curriculum. Management in education, 30 (3), 121–125.
  • Deardorff, D. K. (2006). Identification and assessment of intercultural competence as a student outcome of internationalization. Journal of Studies in Intercultural Education, 10, 241–266.
  • Earley, P. C. (2002). Redefining interactions across cultures and organizations: moving forward with cultural intelligence. In B. M. Staw (Hrsg.), Research in Organizational Behavior. Volume 24. (S. 271–299). Oxford: Elsevier.
  • Mecheril, P. (2003). Behauptete Normalität - Vereinfachung als Modus der Thematisierung von Interkulturalität. Erwägen, Wissen Ethik, 14 (1), 198–201.
  • Pike, G. & Selby, D. (1988). Global teacher - global learner. London: Hodder Arnold H&S.
  • Thomas, A. (2003). Interkulturelle Kompetenz - Grundlagen, Probleme und Konzepte. Erwägen, Wissen, Ethik, 14 (1), 137–149.
⬅️ 1.2 Interkulturelle Kompetenz nach Auernheimer (2013; 2016) 1.4 Kompetenzlosigkeitskompetenz nach Mecheril (2013) ➡️