Lehrstuhl für Schulpädagogik
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Fall 3: Traditionelles Rollenbild

"Bei muslimischen Familien herrscht oft ein traditionelles Rollenbild für die Töchter", stellt Frau N., Lehrerin an einer Mittelschule in München, fest. Dieses äußert sich nach der Meinung der Pädagogin in einer Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen durch ihre Eltern: Während sich die Jungen, so Frau N., in der Regel sehr aktiv an Klassenunternehmungen beteiligen, sind Mädchen häufig von der Teilnahme an bestimmten Aktivitäten (zum Beispiel Klassenfahrten) ausgeschlossen. Aktuell hat sie zwei solche Fälle in ihrer siebten Klasse, wobei sich die betroffenen Mädchen unterschiedlich dazu verhalten. Eine Schülerin behauptet, dass sie selbst nicht an Klassenfahrten teilnehmen will, was aufseiten der Lehrerin Unverständnis auslöst. Die andere Schülerin sagt, dass ihre Eltern ihr die Teilnahme an Klassenfahrten verweigern. Sie widersetzt sich der Position ihrer Eltern und hofft auf Rückhalt der Schule.

Frau N. wünscht sich ganz klar, dass alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von Geschlecht und dem Hintergrund der Familie an Schulaktivitäten teilnehmen. Gleichzeitig findet sie es nicht einfach, eine allgemeingültige Handlungslinie für solche Fälle zu entwickeln, vor allem angesichts der Schwierigkeit, eine Grenze zwischen dem schulischen Erziehungsauftrag und der Erziehungsfreiheit der Eltern zu bestimmen.

Analysefragen

Perspektivische Interpretation

  1. Analysieren Sie die Perspektive der Darstellung: Aus wessen Perspektive erfolgt die Situationsbeschreibung? Wie beeinflusst diese Perspektive die Problemdarstellung?
  2. Analysieren Sie die Situation aus der Perspektive der Lehrerin: Was empfindet die Lehrerin als Problem und warum? Welche Fremdbilder (in Bezug auf ihre Schülerinnen) kommen in der Wahrnehmung der Pädagogin zum Tragen? Welche Rolle schreibt sich die Lehrerin in der beschriebenen Situation selbst zu?
  3. Beziehen Sie nun die Perspektive der Eltern in Ihre Überlegungen mit ein: Was können Wünsche/Motive der Eltern sein?
  4. Analysieren Sie die Situation aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler: Was könnten Gründe für die unterschiedliche Reaktion der beiden Schülerinnen auf die Situation sein? Inwiefern wird die Perspektive der Schülerinnen von der Lehrerin berücksichtigt?

Mehrebenen-Interpretation

  1. Diese Situation lässt sich nicht nur auf der Ebene der Akteurinnen und Akteure deuten. Denken Sie darüber nach, inwiefern weitere gesellschaftliche Aspekte möglicherweise zur Entstehung und Interpretation der Situation beitragen können.

Handlungsoptionen

  1. Welche Handlungsoptionen wären in der Situation möglich? Welche Fragen, Schwierigkeiten, Widersprüche etc. können sich ergeben? Beziehen Sie die Ergebnisse der Interpretation im Pkt. 1) und 2) in Ihre Überlegungen mit ein.
⬅️ Fall 2: Kindesvernachlässigung Fall 1.1 Impulse zur Falllösung: Perspektivische Interpretation ➡️