Fall 1.3 Impulse zur Falllösung: Handlungsoptionen
Fragestellung 1
a) Welche Handlungsoptionen wären in der Situation für die Lehrkraft sowie für die gesamte Schule möglich?
Wie im konkreten Fall handeln?
Zunächst sollte das Verhalten der Schülerinnen und Schüler untereinander nicht hingenommen, sondern schnellstmöglich unterbunden werden. Lehrkräfte sollten in solchen Situationen deutlich Stellung beziehen und den Schülerinnen und Schülern unmissverständlich klar machen, dass solche Äußerungen inakzeptabel sind und (Sanktions-) maßnahmen sowie Aufklärungsarbeit nach sich ziehen. Auf rassistisches oder antisemitisches Verhalten seitens der Schülerinnen und Schüler überhaupt nicht zu reagieren, könnte gar den Eindruck der Zustimmung oder zumindest der Verharmlosung vermitteln.
Selbstverständlich reicht es für die Lösung des Problems noch lange nicht, Schülerinnen und Schüler einfach zum Schweigen zu bringen. Gerade wenn sich die Lehrkraft, wie in dem Beispiel geschildert, mit der heiklen Situation in der Klasse überfordert fühlt, sollte sie sich auf der Suche nach weiteren Handlungsschritten im Kollegium und bei der Schulleitung Unterstützung holen. Weil sie, wie geschildert, mehr Hintergrundwissen für notwendig hält, können ihr vielleicht Geschichts- oder Sozialkundelehrkräfte helfen. Darüber hinaus könnte in Form eines fächerübergreifenden Projekts die Problematik angegangen und somit notwendige Aufklärungsarbeit geboten werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, rassistische Äußerungen nicht einfach als ‚unmoralisch' abzustempeln bzw. zu skandalisieren, sondern die Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen, auch subtile rassistische Tendenzen im Alltag und in der eigenen Sozialisation aufzudecken (die zum Beispiel durch Medien, Politik, Familie, Freundeskreis, institutionellen Umgang etc. weitergetragen werden). Hier können insbesondere außerschulische Bildungspartnerinnen und -partner, die sich kritisch-reflexiv mit der Thematik Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit etc. auseinandersetzen, behilflich sein. Hinweise auf geeignete Partnerinnen und Partner finden Sie unter "Hilfreiche Materialien und Ansprechpartnerinnen/-partner".
Was kann Schule als Institution gegen Rassismus/Diskriminierung tun?
Schule trägt "[a]ls Ort der Kommunikation und Begegnung [...] auch Verantwortung dafür, Diskriminierung im Umgang miteinander abzubauen, Betroffene zu unterstützen und diskriminierendes Verhalten gegebenenfalls zu sanktionieren" (Lüders & Schlenzka, 2016, S. 36). Es ist wichtig, dass sich Schulen als Ganzes die Frage stellen, wie auf Rassismus und Diskriminierung im schulischen Kontext eingegangen werden kann und welche Strategien ergriffen werden können, damit das diskriminierende Verhalten unter Schülerinnen und Schülern abnimmt und dagegen ein wertschätzendes Nebeneinander der unterschiedlichen Schülergruppen gewährleistet werden kann. Hilfreich hierfür ist ein gemeinsam von der Schulleitung und den Lehrkräften entwickeltes und mit weiteren bedeutenden schulischen Akteurinnen und Akteuren (Schülerinnen und Schüler, Eltern, Kooperationspartnerinnen/-partner) abgestimmtes Konzept. Dieses Konzept könnte Basis für schulinterne Gesetze liefern, die Diskriminierungsverbote explizit beinhalten und gegen rassistische Aussagen bzw. rassistisches Verhalten klare und deutliche Maßnahmen formulieren (vgl. ebd., S. 41).
→ Ein Buchtipp für Schulen speziell zu dem Thema: Gomolla, M. (2009). Interventionen gegen Rassismus und institutionelle Diskriminierung als Aufgabe pädagogischer Organisationen. In W. Scharathow & R. Leiprecht (Hrgs.), Rassismuskritik, Band 2: Rassismuskritische Bildungsarbeit. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag.
Sensibilisierung von Lehrkräften
Lehrkräfte sind für den Umgang mit Rassismus zu sensibilisieren und zu schulen. Sie fungieren zum einen als Vorbildpersonen für die Schülerinnen und Schüler und sind in der Pflicht, für einen respektvollen Umgang aller Kinder und Jugendlichen miteinander zu sorgen. Zum anderen sind gerade subtile Formen der Diskriminierung oft nur schwer zu erkennen; werden diese von Lehrkräften nicht erkannt, verschärft dies die Ausgrenzung bestimmter Schülerinnen und Schüler bzw. bestimmter Gruppen zusätzlich (vgl. Gomolla & Radtke, 2009; Messerschmidt, 2010). Bedeutsam erscheint hier auch der Hinweis, dass Lehrkräfte mit Migrationshintergrund nicht automatisch die geforderte Sensibilität besitzen, da sie beispielsweise aufgrund einer höheren sozialen Positionierung andere Erfahrungen machen können als ihre Schülerinnen und Schüler aus sozial und ökonomisch marginalisierten Milieus.
Hinweise auf außerschulische Partnerinnen und Partner, die Fortbildungen für Lehrkräfte anbieten, finden Sie unter "Hilfreiche Materialien und Ansprechpartnerinnen/-partner".
Hilfreiche Materialien und Ansprechpartnerinnen/-partner
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
- Unterrichtsmaterialien zum Thema Rassismus für Lehrkräfte: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Ethnische_Herkunft/Themenjahr_2014/Unterrichtsmaterialien_Rassismus/Unterrichtsmaterialien_zum_Thema_Rassismus_node.html
- Verzeichnis der Ansprechpartner/innen auf Bundesebene: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Ethnische_Herkunft/Themenjahr_2014/organisationen_partner/organisationen_partner_node.html
Amadeu Antonio Stiftung
- Antisemitismus und Antiamerikanismus
- In dem Bulletin 5/2004 sind Erfahrungen aus der Praxis zum Umgang mit Antisemitismus und Antiamerikanismus in der Bildungsarbeit gesammelt worden: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/themenflyer-zu-gruppenbezogener-menschenfeindlichkeit/
- Das Projekt "BildungsBausteine gegen Antisemitismus" bietet Seminare für Schülerinnen/Schüler und Auszubildende sowie Fortbildungen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Jugend- und Erwachsenenbildung an: http://www.bildungsbausteine.de/
- Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit:
- In zehn Themenflyern werden einzelne Erscheinungsformen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit unter den Schlagworten "Erkennen. Benennen. Verändern!" jugendgerecht erläutert. Themen sind: Antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen, Feindschaft gegen Obdachlose, Heterosexismus, Ideologien der Ungleichwertigkeit und Rechtsextremismus, Nationalismus, Rassismus und Sexismus. Verfügbar unter: http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/die-stiftung-aktiv/themen/gegen-gmf/download/
Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
Der "Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit" des DGB-Bildungswerks Thüringen e.V. beinhaltet eine Vielfalt an Themen und Materialien und enthält unter anderem konkrete Übungen, Handreichungen und Arbeitspapiere, die auch in Schule und Unterricht einsetzbar sind. Das Markenzeichen des ‚Bausteins' ist eine durchgehend kritisch-reflexive Haltung zu Rassismus, die es ermöglicht, nicht nur die Umgangsmöglichkeiten mit dem ‚äußeren' Rassismus aufzuzeigen, sondern auch den Unterricht selbst sowie eigenes Verhalten als Lehrkraft auf ‚blinde Flecken' zu untersuchen. Satire, Witze, Rollenspiele und Theatermethoden finden da auch seinen Platz. Verfügbar unter: http://www.baustein.dgb-bwt.de/Inhalt/index.html (man kann auch eine Printversion bestellen).
Bundeszentrale für politische Bildung
- Thema Vorurteile
- Was sind Vorurteile?
- Folgen von Vorurteilen
- Diskriminierung
- Antisemitismus
- Gegenmaßnahmen und Handlungsmöglichkeiten
- Thema Antisemitismus
Zum Thema Antisemitismus brachte die Bundeszentrale für politische Bildung die Handreichung "Kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus - 11 Aktivitäten für die schulische und außerschulische politische Jugend- und Erwachsenenbildung". Unter: http://www.bpb.de/shop/lernen/weitere/236021/handreichung-kritische-auseinandersetzung-mit-antisemitismus
- Anschauliche Materialien zu verschiedenen Themen im Bereich Vorurteile/Diskriminierung
Von der Bundeszentrale für politische Bildung werden verschiedene Einzelpublikationen mit anschaulichem Material (Flyer, Wandzeitungen etc.) herausgegeben, die Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus etc. behandeln und aufarbeiten, wie diesen begegnet werden kann. Unter: http://www.bpb.de/shop/buecher/einzelpublikationen/.
- Thema Alltagsrassismus in Deutschland
- Materialien für Lehrkräfte zu verschiedenen Themen
Folgende kostenfreie Materialien können für Lehrkräfte als Wissensquelle hilfreich sein, gerade wenn man sich über bestimmte Themen zu wenig informiert fühlt:
- Im Flyer "Rassismus begegnen" werden anhand von Beispielen Handlungsempfehlungen gegeben sowie mögliche Entgegnungen und Reaktionen auf rassistische Vorurteile aufgezeigt: http://www.bpb.de/shop/lernen/weitere/192553/flyer-rassismus-begegnen
- Im Flyer "Antisemitismus begegnen" werden anhand von Beispielen Handlungsempfehlungen gegeben sowie mögliche Entgegnungen und Reaktionen auf antisemitische Vorurteile aufgezeigt: http://www.bpb.de/shop/lernen/weitere/192550/flyer-antisemitismus-begegnen
Die Flyer können auch von Schulen bestellt und im Schulgebäude ausgelegt werden.
C.A.P. – Centrum für angewandte Politikforschung
Das Centrum für angewandte Politikforschung der LMU München bietet verschiedene Praxisprogramme zum Umgang mit Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus an:
- Seminarkonzept "Eine Welt der Vielfalt": Das Hauptanliegen des Programms ist es, den Teilnehmenden die Wege der Entstehung von Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus aufzuzeigen. Der Fokus liegt dabei auf struktureller Diskriminierung (http://www.cap-lmu.de/akademie/praxisprogramme/eine-welt-der-vielfalt/)
- "Demokratie? Just do it?!" ist ein zweitägiges Seminarkonzept für Jugendliche und Erwachsene. Fokus dieses Konzepts liegt auf der Vermittlung von Möglichkeiten des demokratischen Handelns in Alltagssituationen. Verfügbar unter: http://www.cap-lmu.de/akademie/publikationen/praxismaterial/demokratie.php.
Deutscher Bildungsserver
Über den deutschen Bildungsserver (http://www.bildungsserver.de/) stößt man ebenso auf mehrere Möglichkeiten für Lehrkräfte, um in der Klasse Themen wie Rassismus, Hass, Toleranz etc. zu behandeln. Zudem findet man Hinweise auf außerschulische Partner/innen, die Anti-Rassismus-Trainings im Schulkontext anbieten.
Netzwerk "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage"
"Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" ist das größte Schulnetzwerk in Deutschland. Es bietet Kindern, Jugendlichen und Pädagoginnen/Pädagogen die Möglichkeit, Projekte umzusetzen, die sich gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden. http://www.schule-ohne-rassismus.org/startseite/
Pädagogisches Institut München
Das Pädagogische Institut der Landeshauptstadt München bietet den Lehrkräften an städtischen Schulen in München die Möglichkeit einer Zusatzqualifikation u.a. im Bereich Anti-Bias und interkulturelle Verständigung. Das Thema Rassismus nimmt dabei eine bedeutende Stellung ein. Informationen finden Sie beim Fachbereich Politische Bildung: https://www.pi-muenchen.de/index.php?id=128.
Fragestellung 2
Welche Handlungsoptionen würden Sie in einer ähnlichen Situation bevorzugen und warum? Wo liegen die Grenzen dieser Handlungsoptionen?
Das ist eine Frage an Sie zum Nachdenken.
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