Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik
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11. Neunormierung des TEPHOBE (TEPHOBE-R)

Projektleiter: Prof. Dr. Andreas Mayer

Kooperationspartner: Kindergärten und Grundschulen im Stadtgebiet und dem Landkreis München

 

1. Theoretischer Hintergrund

Um der Ausbildung von Schriftspracherwerbsstörungen präventiv entgegenwirken zu können, ist es Aufgabe wissenschaftlicher Forschung, Instrumente für eine zuverlässige Früherkennung von Risikokindern für die Ausbildung von Lese-Rechtschreibstörungen zu entwickeln, zu normieren und hinsichtlich ihrer Qualität zu beurteilen.
Der Test zur Überprüfung der phonologischen Bewusstheit und der Benennungsgeschwindigkeit (TEPHOBE) erfasst zwei Funktionen der phonologischen Informationsverarbeitung, für deren Einfluss auf den Schriftspracherwerb zahlreiche empirische Belege vorliegen. Das Verfahren hat sich in den letzten Jahren in der schulischen und therapeutischen Praxis bewährt und konnte auch hinsichtlich seiner prognostischen Validität positiv evaluiert werden (Mayer & Motsch ???).
Es handelt sich um einen Test, der Ende der Vorschulzeit und zu Beginn der ersten und der zweiten Klasse eingesetzt werden kann.

Das Konstrukt der phonologischen Bewusstheit referiert auf die Fähigkeit, sublexikalische Einheiten (Silben, Onset und Rime, Phoneme) identifizieren, segmentieren, synthetisieren und manipulieren zu können.
Um die phonologische Bewusstheit im Vorschulalter sowie der ersten und zweiten Klasse möglichst umfassend überprüfen zu können, werden folgende Aufgabenstellungen durchgeführt:

tabelle 1

Mit Ausnahme der Aufgabe zur Phonemsegmentation besteht das prinzipielle Aufgabenformat bei der Überprüfung der phonologischen Bewusstheit aus einer Bildauswahlaufgabe. Die Kinder müssen aus vier Alternativen das eine bzw. die beiden richtigen Bilder identifizieren und ankreuzen. Jeder einzelne Untertest umfasst sieben Items, denen jeweils eine Beispielaufgabe vorangestellt ist, um die Kinder mit dem Aufgabenformat vertraut zu machen (Abb. 1).

 

tabelle 2

Bei der Benennungsgeschwindigkeit handelt es sich um die Fähigkeit, die Items einer dem Probanden vertrauten Symbolfolge (Buchstaben, Zahlen, Farben, Objekte) möglichst schnell zu verarbeiten und zu identifizieren, die entsprechenden verbalen Repräsentationen im Langzeitgedächtnis zu aktivieren und das entsprechende Wort (oder den entsprechenden Laut) zu artikulieren (Mayer 2021). TEPHOBE-R überprüft die Benennungsgeschwindigkeit mit den sogenannten RAN-Tests (RAN = rapid automatised naming“, Abb. 2).

tabelle 3

TEPHOBE wurde zwischen 2008 und 2011 am Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik in schulischen und außerschulischen Bereichen (Prof. Dr. Motsch) entwickelt, erprobt und anhand der Daten von 800 Kindern aus Kindergärten, der ersten und der zweiten Klasse normiert. Im Rahmen des Projekts „Früherkennung und Prävention von Lese-Rechtschreibstörungen“ (Mayer 2014) wurde das Verfahren hinsichtlich seiner prognostischen Validität überprüft (Mayer/Motsch 2014).

 

2. Ziele

Aufgrund der Empfehlung, psychometrische Testverfahren etwa alle zehn Jahre neu zu normieren (Galuschka et al. 2015), wurde im Sommersemester 2021 ein Forschungsseminar durchgeführt, in dem gemeinsam mit Studierenden der Sprachheilpädagogik an der LMU das Verfahren kritisch reflektiert, überarbeitet und neu normiert werden sollte. Inhaltlich keine Änderungen wurden für die Überprüfungen der Benennungsgeschwindigkeit und der phonologischen Bewusstheit im Vorschulalter und der ersten Klasse vorgenommen. Für die Überprüfung der phonologischen Bewusstheit in der zweiten Klasse wurde der Subtest „Reimen“ durch eine Aufgabe zur Phonemsegmentation ersetzt, da anzunehmen ist, dass die explizite Phonembewusstheit insbesondere in der zweiten Klasse in deutlich engerem Zusammenhang mit dem Schriftspracherwerb steht als die Reimaufgabe.

Die Neunormierung des Verfahrens wurde für das Vorschulalter Ende des Schuljahres 2020/21 und 2021/22 (Mai – Juli 2021 bzw. 2022) durchgeführt. Die Testungen in der ersten und zweiten Klasse fanden zu Beginn des Schuljahres 2021/22 (Oktober – Dezember 2021) statt. Den Empfehlungen des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen (2010) und Galuschka et al. (2015) folgend wurde für die drei Testzeitpunkte jeweils ein Stichprobenumfang von 250 Kindern angestrebt.
Eine Verbesserung der Bestimmung der Reliabilität wurde dahingehend vorgenommen, dass die Zuverlässigkeit des TEPHOBE-R über eine Homogenitätsanalyse und die Ermittlung der split-half-Reliabilität hinaus durch die Retestmethode vorgenommen wurde.

 

3. Methode

Für die Normierung des TEPHOBE-R wurden in der Zeit von Juni 2021 bis Ende November 2021 sowie zwischen Juni und Juli 2022 insgesamt 823 Kinder mit der finalen Version des TEPHOBE-R getestet.

Zusammensetzung der Normierungsstichprobe (N=823)

tabelle 4

Ergebnisse

Die über eine Homogenitätsanalyse ermittelten Konsistenz des Verfahrens liegt mit cronbach´s alpha = .82-.88 für die phonologische Bewusstheit und cronbach´s alpha = .71-.84 für die Benennungsgeschwindigkeit in einem zufriedenstellenden bis guten Bereich. Die Retestreliabilität wurde für das Vorschulalter ermittelt und liegt mit r= .88 für die phonologischen Bewusstheit und r=.67 - .71 für die Benennungsgeschwindigkeit in einem guten bis sehr guten Bereich. Die split-half-Reliabilität liegt für die drei Altersgruppen für die phonologische Bewusstheit zwischen r= .69 und r= .76

Korrelationen zwischen den Überprüfungen der phonologischen Bewusstheit im Bielefelder Screening und dem Gesamtscore „phonologische Bewusstheit“ des TEPHOBE: r = 42.* (p <.05). Korrelationen zwischen den beiden Subtests zur Schnellbenennung im BISC und den RAN-Tests im TEPHOBE: r = .68** –.78** (p < .01).

Prozentrangnormen und T-Äquivalenzwerte liegen für die letzten drei Monate des Vorschuljahres sowie die ersten drei Monate der Klassenstufen 1 und 2 sowohl für die einzelnen Subtests als auch den Gesamttest vor.

TEPHOBE-R erscheint im Herbst 2023 bei Reinhardt.

 

Literatur

  • Galuschka, K., Rothe, J., Schulte-Körne, G. (2015): Die methodische Beurteilung und qualitative Bewertung psychometrischer Tests am Beispiel aktueller Verfahren zur Erfassung der Lese- und/oder Rechtschreibleistung. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 43 (5), 317–334
  • Mayer, A. (2014): Früherkennung und Prävention von Schriftspracherwerbsstörungen im inklusiven Unterricht. Unveröffentlichte Habilitationsschrift. Universität zu Köln.
  • Mayer, A.; Motsch, H.J. (2014): Früherkennung von Schriftspracherwerbsstörungen. Zur prognostischen Validität des TEPHOBE. Praxis Sprache 59, 218-228.
  • Mayer, A. (2021): Lese-Rechtschreibstörungen. 2. überarbeitete Auflage. München: Reinhardt Verlag
  • Testkuratorium der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen (2010): TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 9. September 2009. Psychologische Rundschau, 61 (1), 52–56