Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik
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12. Entwicklung und Normierung eines Tests zur Überprüfung der morphologischen Bewusstheit

12. Entwicklung und Normierung einer Überprüfung der morphologischen Bewusstheit


Projektleiter: Prof. Dr. Andreas Mayer
Kooperationspartner: Grundschulen im Stadtgebiet und dem Landkreis München


Theoretischer Hintergrund

Neben der phonologischen Informationsverarbeitung (phonologische Bewusstheit, Benennungsgeschwindigkeit, Arbeitsgedächtnis) wird die morphologische Bewusstheit als eine Funktion der Sprachbewusstheit diskutiert, die einen Einfluss auf unterschiedliche sprachheilpädagogisch relevante Entwicklungsbereiche hat. Insbesondere werden Zusammenhänge mit der Rechtschreibung, der Lesefertigkeit, dem Leseverständnis und der lexikalischen Entwicklung angenommen, die auch in zahlreichen Studien empirisch belegt werden konnten (Volkmer et al. 2019, Görgen et al. 2021, Kargl et al. 2018, Carlisle 2000).
Die morphologische Bewusstheit gehört wie die phonologische, lexikalische, syntaktische und pragmatische Bewusstheit zum allgemeinen Konstrukt der Sprachbewusstheit, unter der die Fähigkeit verstanden wird, die Aufmerksamkeit bewusst auf verschiedene Aspekte der Sprache (Form und Inhalt) zu lenken.
Die morphologische Bewusstheit beinhaltet die Erkenntnis, dass Wörter aus Morphemen bestehen. Ihr werden die Fähigkeiten zugeordnet, die morphologische Struktur von Wörtern zu identifizieren, zu analysieren, zu verstehen und zu manipulieren (Carlisle 1995)
In Anlehnung an Casalis et al. (2004) definieren Kargl et al. (2018, S. 46) die morphematische Bewusstheit als die Fähigkeit, „Morpheme zu erkennen und mit ihnen umgehen zu können. Personen mit einer gut ausgeprägten morphematischen Bewusstheit sind also in der Lage, sowohl ein Wort strukturell in seine einzelnen Morpheme zu gliedern, als auch über die Bedeutung dieser Morpheme zu reflektieren.“

Ziele

Da im deutschsprachigen Raum bislang kein standardisiertes und normiertes Verfahren zur Verfügung steht, das die morphologische Bewusstheit umfänglich (Flexion, Derivation, Komposition) erfasst, besteht das Ziel des Forschungsprojekts darin, einen Test zur Überprüfung der morphologischen Bewusstheit zu entwickeln, zu erproben, auf der Grundlage der erhobenen Daten zu modifizieren und schließlich zu normieren.
Aktuell stehen drei Versionen einer Überprüfung der morphologischen Bewusstheit zur Verfügung (ein Einzeltest, zwei Gruppentests, Abb. 1). Diese Verfahren werden im SoSe 2024 im Rahmen eines Forschungsseminars am Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik der LMU erprobt. In diesem Zusammenhang werden auch Zusammenhänge mit schriftsprachlichen Leistungen (Lesegeschwindigkeit [WLLP-R, Schneider et al. 2011], Leseverständnis [ELFE II, Lenhard et al. 2022], Rechtschreiben [DERET, Stock & Schneider 2008]) ermittelt.
Eine Normierung des Verfahrens ist für Schüler*innen zwischen der ersten und der dritten Klasse angedacht.

 mBversion_1

Abb. 1a: Ausschnitt Version 1: Einzeltest

 

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Abb. 1b: Ausschnitt Version 2: Gruppentest – Derivationsmorphologie

 

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Abb. 1c: Ausschnitt Version 3: Gruppentest mit Pseudowörtern

Methode
Die auf der Grundlage der drei Versionen gewonnenen Daten werden teststatistisch aufbereitet und analysiert. Die Berechnungen von Itemschwierigkeiten, Trennschärfen sowie die Durchführung von Homogenitätsanalysen sowie die ermittelten Zusammenhänge mit den Lese-Rechtschreibüberprüfungen verfolgen das Ziel, die finale Version eines Testverfahrens zu entwickeln, die dann für die Normierung vorbereitet wird.
Den Empfehlungen des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen (2010) folgend wird für die drei Testzeitpunkte jeweils ein Stichprobenumfang von 250 Kindern angestrebt.
Die Normierung des Verfahrens ist für das Ende des Schuljahres 2024/2025 angedacht.

Literatur

Carlisle, J.F. (2000). Awareness of the structure and meaning of morphologically complex words: Impact on reading. Reading and Writing. An Interdisciplinary Journal 12, 169-190
Carlisle, J. F. (1995). Morphological awareness and early reading achievement. In L. B. Feldman (Hrsg.), Morphological aspects of language processing (S. 189–209). Hillsdale, NJ: Erlbaum.
Casalis, S., Colé, P. & Sopo, D. (2004). Morphological Awareness in Developmental Dyslexia. Annals of dyslexia 54, 114–138
Görgen, R., Simone, E. de, Schulte‐Körne, G. & Moll, K. (2021). Predictors of reading and spelling skills in German: the role of morphological awareness. Journal of Research in Reading 44, 210–227 Kargl, R., Wendtner, A., Purgstaller, C. & Fink, A. (2018). Der Einfluss der morphematischen Bewusstheit auf die Rechtschreibleistung. Lernen und Lernstörungen 7, 45–54.
Kargl, R., Wendtner, A., Purgstaller, C. & Fink, A. (2018). Der Einfluss der morphematischen Bewusstheit auf die Rechtschreibleistung. Lernen und Lernstörungen 7, 45–54.
Lenhard, W., Lenhard, A., & Schneider, W. (2022). ELFE II. Ein Leseverständnistest für Erst- bis Siebtklässler. Göttingen: Hogrefe.
Schneider, W., Blanke, I., Faust, V., & Küspert, P. (2011). WLLP-R. Würzburger Leise Leseprobe – Revision. Ein Gruppentest für die Grundschule. Göttingen: Hogrefe Verlag für Psychologie.
Stock, C., & Schneider, W. (2008). DERET 3-4+. Deutscher Rechtschreibtest für das dritte und vierte Schuljahr. Göttingen: Hogrefe
Volkmer, S., Schulte-Körne, G. & Galuschka, K. (2019). Die Rolle der morphologischen Bewusstheit bei Lese- und Rechtschreibleistungen. Zeitschrift fur Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 47, 334–344.